Armando A. Simon-Thielen
Exposé "Zwillingsbeeren"
Ein Kaleidoskop autobiografischer Skizzen vereint drei miteinander verwobene Themenkreise:
I. Inhalte
1. Ein
Leben in Deutschland 1950-2010, das, zunächst im Kindes- und Jugendlichenalter - eine Zeitlang tatsächlich, später lange Zeit überwiegend
emotional-erinnernd - zwischen beiden deutschen Staaten gleichsam gezwungenermaßen hin und her pendelt. Erwachsene sind es, die darüber
bestimmen, wann es in welchem Teil Deutschlands zu sein hat. In beiden erlebt es den Alltag, Freude und Leid mit seinen jeweiligen
Verwandten und Freunden und entwickelt seine, erst im Osten kindliche, dann im Westen jugendliche Persönlichkeit. Das heißt z.B.,
dass einander teils fremde, ja, sich widersprechende Wertekanons in einer Person in kommunikative Konkurrenz treten. Das heißt auch,
dass das Wort „Heimat“ und was es meint, in dieser Person ein Plural aber auch ein `Suchwort´ ist.
2. Ein Leben, das mehr familiäre
Geheimnisse und die Fragen danach in und mit sich trägt als es je Antworten erhielt. Die Skizzen sind Brennpunkte der Suche, welche
Geheimnisse erkennbar sind, und warum es sie gibt, wie sich damit leben lässt und wie die Person daran leidet. Hier ist einer der
wesentlichen Anhaltspunkte für die Formen der Skizzen, denn die Geheimnisse lassen sich nicht einfach entlocken. Sie müssen aus diesem
Leben (und aus Bemerkungen anderer) heraus gelesen werden. Doch auch das weniger Geheime (1. und 3.) braucht neue Formen der Beschreibung.
3. Ein Leben, das einen Platz in seinen sozialen Bezügen von seinem Anfang an erringen muss, da es aufgrund einer körperlichen Behinderung
als auffällig erscheint. Wie empfindet es sein Aufwachsen und Erwachsenwerden? Von wem und wie lange erscheint es fremdbestimmt und
von anderen wohlmeinend hilfsbedürftig, und ab wann und wodurch erringt es selbstbewusst-selbständiges Gestalten? Ein Leben, das lange
Zeit darum ringt, Selbstbewusstsein in sich wahrzunehmen und eigenverantwortlich zu werden. Ein Leben, das auf seinem Weg ungeahnte
Wendungen findet und noch ein – das - Ziel seiner Bestimmung sucht und finden will.
In der Provinz der DDR lebend ist ihm seinerzeit
nie vergönnt gewesen, Weinbeeren und Weintrauben kennen zu lernen (nur in Form von Rosinen sind sie ihm aus dieser Zeit erinnerlich).
Der – später in westlichen Deutschland erlebte - Genuss dieser frischen Frucht ist für ihn das bleibende Symbol der Freiheit und Zeichen
einer guten, reichhaltigen Ernährung. So findet der Titel seinen Anhaltspunkt in den Geschichten, dessen Sitz im Leben aber nicht
explizit zur Sprache kommt.
II. Form
Für Erkenntniswege und Erkenntnisse mussten eigens Formen gefunden werden. Sie erinnern an
das Konzept des Katathymen Bilderlebens und benutzen teils mythologische, teils historische, teils erfundene Figuren, um den Zusammenhängen
dieses Lebens und seiner Erfahrungen auf die Spur zu kommen und auf den Grund zu gehen.
Diese Figuren zeigen die seelischen Bewegungen
und (wieder-)erinnerte Erfahrungen aber auch Lebensentwicklung wie auf einer Bühne oder in experimentellen Kurzfilmen. Der Leser,
die Leserin kann sich auf eine Bild- und Episodenfolge von Erlebnissen, Erinnerungen, Empfindungen und daraus gezogenen Schlüssen
einlassen, die der Autor entdeckt hat, und die in erdachten Szenen entfaltet werden. Entdeckt als Metaphern der Seelenlandschaft eines
Lebens. Metaphern, weil sie innerste Ahnungen und tatsächliche Erfahrungen ihm angemessen in Szene setzen und nur so dem Erlebnisgehalt
und den „inneren Seelenbewegungen“ nahe kommen. Vorgeschaltete Fantasiegeschichten führen zu den persönlichen Erfahrungen, denn die
Erkenntnisse des Lebens zu ergründen, ist ein persönlich einmaliger Weg, der erfunden werden musste.
Die Geschichten sollen
1. individuell
mittelbar unabhängige historische Begebenheiten in ihrer Entwicklung berücksichtigen (in Form von Reportagen zeitreisender Reporter).
Ein
anderes Element wird die
2. biografische Auseinandersetzung mit Erlebnissen und Begebenheiten sein.
Wieder eine andere Kategorie ist
die
3. innerpsychische Erlebniswelt in Bezug auf Erinnerungsbilder, Konflikte oder Projekte mit oder von für dieses Leben wichtigen
Personen.
In ihnen werden verschiedene Stilelemente aufgefunden und ausprobiert, um die unterschiedlichen Geschehnisse und Kategorien
nicht nur inhaltlich sondern figürlich zu unterscheiden.
Außerdem experimentiere ich gern.
Zu -1.
Individuell unabhängige, aber
für eine persönliche Lebensentwicklung in Deutschland wichtige historische Begebenheiten werde ich in Form einer fiktiven Berichterstattung
zweier „zeitreisender“ Reporter versuchen, schlagzeilenähnlich oder in andere journalistische Formen zu kleiden. Es geht vor allem
darum, den Lesenden die historische Einordnung individueller Lebensabschnitte zu erleichtern, ohne langatmige historische Abrisse
einflechten zu müssen. (die viel besser in Historiografien dargestellt sind).
Zu -2.
Diese biografische Auseinandersetzung soll
die Lebensentwicklung in ihrer Abfolge transparent machen. Erinnerte Situationen und die Dynamik von individuell erlebten Geschehensabläufen
haben immer einen direkten Zusammenhang mit einem Lebenskonzept – individualgeschichtlich zeitlich begrenzt oder auch das gesamte
Leben durchdringend. Sie sollen innerpsychische Erinnerungsbilder, Konflikte oder Projekte eines Menschen einordnen.
Zu -3.
Da
es hier sicher auch um eine dem Autor nicht unbekannte innere seelische Erlebensdynamik geht, sollen der erzählenden Fantasie für
die Darstellung keine Grenzen gesetzt sein. Die Stilelemente, die sich dafür finden lassen, wollen immer in direktem Bezug zum Inhalt
stehen. Formen und Inhalte dieser Briefe, wie sie nun angedeutet sind, könnten damit „kaleidoskopische Fiktion“ genannt werden.